Interview mit Thomas Neuwerth Idee und Buch zu LADY BY NIGHT
Leidenschaft Musical hatte im Vorfeld der 1. Präsentation von CREATIVE DEVELOPMENT e. V. zum nagelneuen Musical LADY BY NIGHT die Ehre, ein exklusives Interview mit Thomas Neuwerth (Idee und Buch LADY BY NIGHT) zu führen.
Der Verein CREATIVE DEVELOPMENT e. V. mit dem Sitz in Hamburg und sein gleichnamiger Schwesterverein mit dem Sitz in Wien wurden 2022 gegründet, um neue Entwicklungen im Bereich musikalisches Unterhaltungstheater zu fördern. Ziel ist es ganz explizit, neue Stücke zu entwickeln, die kein Nischendasein führen und auf deutschsprachigen Bühnen Bestand haben können, ohne jedoch in anspruchslose Brachialunterhaltung abzugleiten.
Das erste Projekt von CREATIVE DEVELOPMENT, wird LADY BY NIGHT - In der Nacht ist man(n) einfach anders sein!
Zum Creative Team gehören Thomas Neuwerth (Idee und Buch), Jens Ravari (Regie), Pascal F. Skuppe und Johannes Astecker (Musik) sowie Kilian Berger und Anja Ruge (Lyrics). Alles Namen, die schon in vielen unterschiedlichen Musical- und Konzertformaten zu lesen und auch zu hören waren.
Hallo Thomas, wir freuen uns sehr, Dich zu treffen und bedanken uns, dass Du Dir im Vorfeld der Präsentation zu LADY BY NIGHT die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Das ganze ist eine sehr spannende Sache, die unsere Leser sehr interessieren wird.Ihr alle seid in der Vergangenheit erfolgreich und in vielen unterschiedlichen Projekten engagiert tätig gewesen. Wie kommt man dann auf die Idee, sich in einem jungen Verein zu engagieren und ein völlig neues Stück zu produzieren?
Thomas Neuwerth:
Also zunächst wir produzieren ja kein neues Stück, sondern wir entwickeln es im Augenblick. Daher tragen unsere beiden Vereine – ja, es sind zwei einer in Hamburg und einer in Wien – auch den Namen „Creative Development“. Ich bin kein großer Fan davon, ein Stück, das man schreibt und komponiert, dann auch selbst zu produzieren, außer man arbeitet für eine Eigenentwicklung eines großen Musicalunternehmens. Die Vereine sind notwendig, um diese Entwicklungstätigkeit professionell durchführen zu können. Dazu gehört auch die Abhaltung eines Workshops und die Präsentation von Stück und/oder Songs.
Worin liegt der Reiz, etwas völlig Neues und Unbekanntes auf die Bühne zu bringen? Ist man als kreativer Kopf dabei freier in der Auswahl?
Thomas Neuwerth:
Der Reiz liegt darin, dass wir eine neue Geschichte erzählen können, dramaturgisch wie musikalisch – und neue Charaktere entwickeln zu können. Aber natürlich überlegt man sich, wenn man wie ich seit 15 Jahren im Musicalbereich tätig ist, auch genau, welches Stück nachher auch produzierbar ist – und wo. Es bringt ja nichts, ein Musical mit toller Musik für ein 60-köpfiges Orchester zu komponieren, wenn das dann nie gespielt werden kann. Ebenso wenig macht es Sinn, einen neuen Aufguss von etwas zu kreieren, was es schon einmal gab. Auch das wird nicht sein Publikum finden, wenn es überhaupt von einem professionellen Theater produziert wird.
Der Titel LADY BY NIGHT – In der Nacht ist man(n) einfach anders, klingt spannend und lässt im Vorfeld viel Interpretationsspielraum für die zukünftigen Zuschauer.
LADY BY NIGHT ist nun keine komödiantische Musikkomödie mit Klamaukhumor, sondern eine Geschichte über Selbstfindung, die Verwirklichung von Träumen und die Freiheit, so zu sein, wie man möchte - fernab von Klischees und Schubladendenken mit feinem Humor. Wenn man sich in der Musicalbesucherszene so umsieht und umhört, hat man doch eher das Gefühl, die Zuschauer gehen in ein Musical, um dem Alltag zu entfliehen, abzuschalten, sich zu amüsieren und die täglichen Themen draußen zu lassen und ein wenig zu träumen. LADY BY NIGHT basiert aber gerade auf dem Gegenteil.
Alltagssorgen, Homophobie, Liebeskummer, die Frage nach dem Wie, Wo und Warum im Leben?
Was hat den Ausschlag dafür gegeben ein Musical über Selbstfindung, Freiheit, Verwirklichung von Träumen und dem Wunsch so zu leben wie man möchte zu wählen? Ein Thema das vielleicht auch polarisiert und gesellschaftliche Probleme anspricht und hinterfragt.
Thomas Neuwerth:
Am Off-Broadway oder am West End ist es durchaus üblich, neue Musicals zu kreieren, die Tiefgang haben und wichtige Themen, die alle Menschen bewegen, zum Inhalt haben. Man denke nur an NEXT TO NORMAL, DEAR EVEN HANSEN, „EVERYBODY`S TALKING ABOUT JAMIE aber auch SIX oder & JULIET . Letzteres ist beispielsweise eine sehr witzige Verarbeitung eines alten Stoffes zu etwas komplett Neuem. Natürlich gehen manche Menschen mit dem Vorsatz ins Theater, schlicht unterhalten zu werden. Aber wenn man ihnen dann dort trotzdem ein wenig etwas zum Nachdenken liefert, vielleicht verpackt in eingängige Melodien, sind sie in der Regel nicht böse. Und sie denken in der Folge gerne nach, glaube ich. Es muss nicht immer der vordergründigste Gag, der Charakter aus der Schublade und die abgelutschte Handlung, deren Ende man spätestens nach der zweiten Szene erwarten kann, sein. Man kann dem Publikum durchaus ein wenig mehr zumuten – und zutrauen.
Gibt es gerade einen Umbruch im Musical Genre? Weg vom Blick durch die rosarote Brille, Weg von märchenhaften oder mystischen Themen, opulenten Bühnenbildern und Kostümen. Oder wird beides nebeneinander bestehen können?
Thomas Neuwerth:
Also Umbruch würde ich das nicht nennen. Ein „Umbruch“ war vielleicht CATS 1983 in Wien. Das Genre Musical ist ja wie jede Kunstform auch nur ein Abbild jener Zeit, in der es geschaffen wird. In den angloamerikanischen Bereichen, wo die Vielfalt im Musical eine lange Tradition hat, ist es durchaus üblich, dass man nicht immer nur die rosarote Brille auf der Bühne zeigt (wiewohl diese dort auch erfolgreich war). Diese Vielfalt ist nur im deutschsprachigen Raum etwas Überraschendes, weil viele Menschen merkwürdigerweise denken, dass Musical ausschließlich „Entertainment“ wäre, also reine Unterhaltung. Leider sieht das auch die öffentliche Hand oftmals so und lässt jede Unterstützung für das Genre Musical missen. Wien ist da mit den VBW eine großartige Ausnahme. Wir entwickeln Stücke wie LADY BY NIGHT um diese Vielfalt auch hierzulande ein klein wenig zu erhöhen. Aber wir sind zum Glück nicht die ersten und einzigen, die das Tun, da haben sich Teams wie Zaufke/Lund oder jüngst Kuropka/Habermann und einige andere durchaus auch in Deutschland schon verdient gemacht.
Welches Publikum möchtet ihr damit ansprechen? Das war ja sicher auch eine der ersten Frage bei der Auswahl für die Produktion?
Thomas Neuwerth:
Wie schon oben angemerkt – natürlich macht es nur Sinn, ein Stück zu entwickeln, das auch realistische Chancen hat, auf der Bühne verwirklicht zu werden. Aber ich denke, man sollte „das Publikum“ nicht labeln. Ich denke, dass man dem Publikum durchaus mehr zumuten kann als seichte Unterhaltung – in inhaltlicher wie in musikalischer Hinsicht. Und 2022 ist die Zeit reif für eine Geschichte, wie wir sie in LADY BY NIGHT erzählen. Da sind beispielsweise schwule Charaktere keine lustigen Buffo-Figuren mehr, die ausschließlich mit den Handgelenken in der Gegend herumkreisen, sondern ernst zu nehmende Menschen mit Problemen wie alle anderen auch. Und ob jetzt jemand Marketing-Spezialist für Billigfleisch oder Drag-Queen ist, macht keinen Unterschied darin, dass dieser Mensch eine ganz persönliche Geschichte und seine individuellen Probleme hat. Aus all diesen Gründen kann sich das Publikum mit diesen „neuen“ Figuren auch vortrefflich identifizieren – ob jetzt im Anzug oder in High Heels (oder beidem).
Man hat eine Idee, ein Buch und ein Publikum, das man ansprechen möchte. Wie geht man danach weiter vor?
Thomas Neuwerth:
Dafür gibt es keinen Fahrplan. Mit einer Idee ist man in der Regel sehr lange hirnschwanger, da werden mir die meisten schreibenden Kolleg*innen Recht geben. Danach sucht man sich ein Autor*innen-Team, besonders wenn man so wie ich nicht selbst komponieren kann. Bei LADY BY NIGHT hat es sich so ergeben, dass wir zwei Komponisten haben und zwei Songwriter plus mich, aber ich habe neben dem Libretto nur die Lyrics für einen Song beigesteuert.
Ihr habt Euch entschieden, einen Mix aus Operette, Melodien, die an klassisches Musical erinnern, bis hin zu modernen Pop-Klängen zu wählen und diese mit hintergründigen witzigen Texten zu präsentieren. Jeder Charakter hat somit eine eigene Musikrichtung bekommen. Wie schwer ist es damit einen durchgängigen musikalischen Handlungsablauf zu bekommen?
Thomas Neuwerth:
Also ganz besonders fällt da Ninos Chefin Lucia Ludwigsburger, aus dem musikalischen Kontext, weil sie ausschließlich im Operettenstyle singt. Aber sie ist ja auch die Urenkelin von Kálmán Zsupán aus dem „Zigeunerbaron“. Die anderen Charaktere haben musikalische Eigenheiten wie Raoul, der sehr hoch singen kann. Aber ich denke, eine gewisse musikalische Vielfalt ist heutzutage im Musical ohnehin notwendig.
Sind die Musiktitel ausschließlich neue Kompositionen oder habt ihr auch bekannte Ohrwürmer mit ins Konzept genommen?
Thomas Neuwerth:
Mit einer Ausnahme sind alle Songs Eigenkompositionen von unserem kongenialen Komponisten-Duo Pascal Skuppe und Johannes Astecker. Den Song, den Nino beim Karaoke-Singen zum Besten gibt – eine Schlüsselszene, weil das einer von mehreren Auslösern für ihn ist, seine Gesangskarriere als Drag zu beginnen – dieser Song musste meines Erachtens logisch etwas Bestehenden sein. Wir haben hier einen wunderbaren Jazz-Song von Jimmy Cox mit dem Titel „Nobody knows you when you’re down and out“, der im nächsten Jahr übrigens seinen 100. Geburtstag feiert, gefunden.
Wie ist Euer Plan? Wann soll LADY BY NIGHT als komplettes fertiges Musical auf einer Bühne präsent sein?
Thomas Neuwerth:
Wir hoffen, dass bei unserer Workshop-Präsentation am 1. August, die als szenischen Konzert stattfinden wird, möglichst viele Theatermacher*innen auf „Lady by Night“ aufmerksam werden. Für all jene, die nicht persönlich dabei sein können, wird es aber auch einen Mitschnitt geben. Und dann hoffen wir, dass die Lady in der Spielzeit 23/24 das eine oder andere Theater in Deutschland oder Österreich erobern wird. Mit sechs Solo-Rollen und zwei Ensemble-Positionen ist das Stück in jedem Stadttheater verwirklichbar.
Ein Musical produziert und entwickelt man nicht einfach so. Es bedarf einer guten Planung, Organisation und Finanzierung. Ihr habt Euch für Crowdfunding-Kampagne entschieden. Warum?
Thomas Neuwerth:
Wie gesagt, wir produzieren das Stück nicht selbst, sondern wir entwickeln es. Nunmehr, da die Autor*innen mit ihrem Teil fertig sind, mit Darsteller*innen in Form eines Workshops. Wir arbeiten alle unentgeltlich an diesem Projekt, auch die Kolleg*innen auf der Bühne. Aber dennoch entstehen natürlich Kosten wie Reisekosten, Kosten für Technik und – bei einem Stück über Drags nicht ganz unwichtig – auch Kosten für Kostüme. Denn auch wenn wir nur ein szenisches Konzert veranstalten, wollen wir natürlich trotzdem nicht, dass unsere Drags im Smoking singen. Umgekehrt haben wir für die Crowdfunding-Kampagne einige spannende Goodies überlegt, mit denen wir Bühnendarsteller*innen ebenso ansprechen möchten wie Musicalfans.
Im August wird es die erste greifbare Vorstellung des Musicals geben. Wann und wo wird das sein und ab wann werdet ihr die Cast bekanntgeben?
Thomas Neuwerth:
Am 1. August bei „The Musical Company“ in Seevetal bei Hamburg. Die Cast wird ab Montag 13. Juni täglich auf unseren Facebook- und Instagram-Seiten bekannt gegeben – mit dem Titel-Darsteller am Schluss am 19. Juni.
Die erste Präsentation von LADY BY NIGHT wird am 01. August 2022 in Hamburg stattfinden.
Tickets gibt es ausschliesslich über diese Seiten.
- reguläre Karten: https://www.startnext.com/lady-by-night/ds/d/sn-erlebnisse/sn-events/eintrittskarte-praesentation-lady-by-night-i387580.html
- Ticket plus Meet & Greet: https://www.startnext.com/lady-by-night/ds/d/sn-erlebnisse/sn-meet-greet/meet-amp-greet-mit-einer-m-darstellerin-von-lady-by-night-i387583.html
Lieber Thomas, das hört sich alles sehr interessant an und macht neugierig. Wir sind nun auf die Präsentation der Darsteller in der nächsten Woche sehr gespannt und freuen uns auf ein neues Musical mit einer tollen Story in hoffentlich naher Zukunft.
Vielen Dank nochmals für Deine Zeit und Deine interessanten Ausführungen.