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Interview mit Tristan Blaskowitz

Leidenschaft Musical hatte die Gelegenheit ein Interview mit dem Regisseur und Komponisten des neuen Musicals El-Oh-Vee-Ee – LOVE führen zu können.



Tristan Blaskowitz hat uns einige spannende Fragen beantwortet.


Hallo Tristan,

am 22. Juli 2023 feiert dein neues Musical El-Oh-Vee-Ee – LOVE seine Premiere in der Stadthalle Hofheim am Taunus. Dazu unseren Glückwunsch. Nun ist dieses Musical anders als die klassischen Musicals die wir sonst so kennen. Wann bist Du auf die Idee gekommen dieses Musical zu machen?

 

Vielen Dank erstmal für die Chance für dieses Gespräch, ich freue mich sehr mein neues Musiktheaterwerk hier vorstellen zu dürfen.

Die Ursprüngliche Idee war es 2013 unter dem Arbeitstitel „Mainz“ die Atmosphäre einer Stadt musikalisch einzufangen. Es kamen die Ideen der Nostalgie und das Verarbeiten von Erinnerungen an bestimmten Orten dazu. Schließlich das grobe Konstrukt einer Liebesgeschichte. Einige Melodien, die heute noch verwendet werden, stammen auch noch aus dieser Zeit. „Mainz“ lag ruhig für einige Jahre, da ich in der Zwischenzeit angefangen habe zu studieren. Nach meinem Bachelor sollte ich mich in meinem Masterstudium einem Projekt verpflichten. Ich entschied mich ein eigenes Musical zu schreiben und zu produzieren und entwickelte das Konzept seit 2016 von „Mainz“ zu „El-Oh-Vee-Ee“ weiter und wird nun nach Abschluss meines Studiums realisiert.

Meine eigenen Erfahrungen und Entwicklungen halfen mir das Projekt voranzutreiben. So konnte ich die meisten Szenen und auch das Ende des Stückes erst schreiben, nachdem ich eine sehr negative Erfahrung machen musste. Ich wandelte den gesamten Schmerz in kreative Energie um und vollendete das Libretto und die Musik.

Das Stück zu schreiben, war auch eine Herzensangelegenheit um als Suchender mit dem Stück mir selbst einige Fragen zum Thema „Liebe“ beantworten zu können.

 

Ein Musical das sich mit dem Thema Liebe beschäftigt, mal von einer anderen Seite zu beleuchten ist sehr spannend. Lässt sich die Frage: Wo kommt Liebe her und wohin geht sie, wenn sie nicht mehr da ist, für jeden Menschen gleich beantworten? Oder sind es doch auch Lebensumstände und gesellschaftliche Aspekte die darauf einen Einfluss ausüben?

 

Jeder verwendet das Wort „Liebe“ auch anders. Für die Recherchearbeit, die ich gemacht habe, bevor ich mit dem Libretto begonnen habe, habe ich mich über verschiedene Arten der Liebe informiert und eingelesen. Ich habe schnell gemerkt, dass ich unmöglich alle Themen unterbringen kann und musste mich daher auf gewisse Aspekte fokussieren. So handelt das Stück hauptsächlich über die romantische Liebe zwischen Menschen.

Wie jeder liebt und diese Liebe fühlt ist sehr subjektiv. Gesellschaftliche Aspekte und Lebensumstände spielen definitiv eine große Rolle. Wir lernen als Kinder wie unsere Eltern Nähe und Zuneigung zueinander zeigen. Lassen uns aber auch durch Medien beeinflussen. Die Darstellung in romantischen Filmen, Serien, Büchern und Theaterstücken vernebeln die Realität und können ein falsches Bild schaffen, wie Beziehungen und Kommunikation zwischen Menschen im Alltag wirklich funktionieren. So entwickelt jeder auch sein eigenes Gefühl für „Romantik“ und was eigentlich gesucht wird in der anderen Person. In unserer Gesellschaft ist Liebe pure Selbstverständlichkeit und gleichzeitig Luxus. Es wird einem vorgeschrieben und vorgelebt, wie man liebt, was man lieben sollte, wie eine Beziehung aussehen soll und jeder spielt im großen „Theater des Alltags“ mit. Gleichzeitig sind wir alle unheimlich einsam in dieser schnellen digitalen Welt und viele Beziehungen entstehen einfach nur daraus, dass man nicht allein sein will. Die wahre Suche beginnt immer in einem selbst. Spielt man nur das „Spiel“ mit oder sucht man wirklich nach etwas tief in einem. Ein Stück seiner Seele, welches man erweitern möchte mit einem anderen Menschen.

 

Ist es Zufall, dass die beiden Hauptprotagonisten Adam und Eve heißen?

 

Die Namen der Figuren haben in der Tat keine tiefere Bedeutung für die Geschichte an sich. In den ersten Fassungen des Librettos wurden die Hauptfiguren nur „Der Mann“ und „Die Frau“ genannt. Da sich die Regieanweisungen schwierig schreiben ließen, da gerade in den Ensembleszene mit mehreren Geschlechtern nie eindeutig klar war, welche Figur gemeint war. Es kam ein einfacher Tipp von einer Kommilitonin: „Nenn Sie für den Schreibprozess doch einfach Adam und Eve“. So entstanden aus einer Lösung für ein technisches Problem beim Schreiben, die Namen der Figuren. Die „Erzählerstimmen“ wurden so dann zu Amor und Venus.

Inzwischen sind es für mich aber echte Figuren und schöne passende Namen und keine Platzhalternamen mehr. Mit der Geschichte aus der Bibel haben die Personen selbst allerdings nichts zu tun.

Eine mögliche Interpretation kann jedoch sein das Adam und Eve, als erste Menschen, natürlich auch die Urheber der menschlichen Romantik sind, da sie das erste Pärchen waren in der biblischen Entstehungsgeschichte der Welt.

 

Die Liebesabenteuerreise von Adam beleuchtet verschiedenste Stationen und Episoden eines Lebens. Sind diese alle frei erdacht oder gibt es vielleicht doch die ein oder andere Parallele zu eigenen Erlebnissen?

 

Viele Ereignisse und Szenen stammen aus meinem Leben. Sie sind vielleicht nicht exakt so passiert und werden im Stück in einem anderen Zusammenhang oder Reihenfolge erzählt. Die Szenen enthalten auch private und intime Momente von mir.  

Einige Sequenzen haben für mich eine exakte persönliche Bedeutung, die das Publikum natürlich nicht wissen kann. Für dieses wird es als Metapher rüberkommen, die dann selbst interpretiert werden kann und eigene Lücken in den individuellen Vergangenheiten füllen kann.

Das Stück ist natürlich anonymisiert geschrieben, es wird kein Bezug zu realen Personen genommen und vieles ist auch aus dramaturgischen Gründen angepasst damit es als Theaterstück funktioniert. Aber man könnte dennoch sagen, dass Adam irgendwie auch ich bin.

 

Welche Botschaft soll das Stück dem Zuschauer vermitteln?

 

Jeder findet seinen Weg. Das Ziel ist dabei oft auch nur ein weiterer Schritt auf einer Reise. 

Die Zeit des Heranwachsens und der Erwachsenwerdens ist auch eine Phase der Selbstfindung. Und jeder muss sich selbst finden, um schließlich auch andere finden zu können. Adam nutzt seine Reise, um sich nochmal über seine Vergangenheit und sich selbst klar zu werden, bevor er zu neuen Horizonten aufbrechen kann. In Sachen Liebe und Beziehungen und vielleicht auch in weiteren Aspekten des Lebens.

Liebe ist hierbei der Grundstein, der uns Menschen alle zusammenhält. Wer lernt zu lieben, wird lernen können ein besserer vollwertiger und erfüllter Mensch zu werden.

 

Ihr arbeitet in dem Musical mit großem Orchester, das ist in der heutigen Zeit phänomenal. Dieses Hörerlebnis hat man kaum noch. War es für Dich von Anfang an klar, dieses Musical braucht unbedingt ein großes Musikerformat, weil es auch die Botschaft weitertragen soll?

 

Das Projekt hat sich gewandelt seit der ersten Idee. Genauso auch die Musik und so auch ich als Mensch und Person. Die erste Version war noch als Electro-Minimal Album in Anlehnung an Paul Kalkbrenner gedacht. In dieser Phase war es auch eher ein Album als eine Bühnenshow. Als sich die Konzeption weiterentwickelt hat, kamen immer mehr akustische Elemente hinzu, zunächst Streicher und Gitarren. Als es in die Hauptphase der Komposition ging, verschwanden alle elektronischen Elemente und das gesamte Werk wurde für volles Sinfonieorchester komponiert.

Bei einem großen Thema wie „Liebe“, welches uns seit Beginn des Lebens begleitet, war mir auch ein großer Klang wichtig. Es sollte auch eine zeitlose Klanglandschaft gefunden werden. Das Orchester ist für mich nicht nur die höchste und feinste Art der Besetzung, die ein Musikstück haben kann, es ist ein zeitloser Klang, der keinem festen Genre zugeordnet ist und alle Gefühle in der Musik erlebbar machen kann. Daher erschien mir beim Inhalt des Stückes es logisch mit einem Orchester zu arbeiten.

Es gibt auch sehr symphonische Musicals natürlich, die viel Orchester haben. Es werden oft Streicher und Bläser kombiniert mit Drum Set, Gitarren, Bass und Keyboards, wodurch der bekannte Musicalsound entsteht. Bei El-Oh-Vee-Ee werden auf alle Pop-typischen Instrumente wie Gitarren oder Schlagzeug verzichtet und es findet sich eine klassischere Besetzung aus der Filmmusik wieder.

 

Sind die Musikstücke alle komplett neu oder greift ihr auch auf bekanntes und bewährtes zurück?

 

El-Oh-Vee-Ee wird die Zuschauer mit komplett neuer und eigener Musik überraschen, welche von mir für dieses Werk komponiert wurde. Inspiriert wurde ich von Komponisten wie Mike Oldfield, Philip Glass und Steve Reich. Musikalisch bewege ich mich in meinen Kompositionen oft zwischen Filmmusik und Videospielmusik. Ich verwende oft einfachere „Pop“ Harmonien und Rhythmen. Dadurch wird die Musik eingängig und vielen zugänglich. Die üppige Orchestrierung sorgt jedoch für überraschende Momente und einen sehr abwechslungsreichen Klang. Wie aus der Filmmusik üblich arbeite ich mit Leitmotiven. So erhalten die Figuren und auch gewisse Situationen eigene musikalische Motive, die sich über das gesamte Werk immer wieder finden und auch dramaturgisch eine Rolle spielen. Neben der typischen Orchesterbesetzung spielen weitere Klangfarben wie z.B. die Glasharmonika und die Kirchenorgel eine besondere Rolle. Auch nicht musikalische Elemente, wie das Geräusch eines Zuges oder das Atmen eines Astronauten sind Teil der Partitur. Den Zuhörer:innen erwartet ein zeitgenössisches und modernes Werk.

 

Das Bühnenbild wird von der Grundausstattung ja eher minimalistisch gestaltet, aber durch Licht- und Videosequenzen zu einem Highlight innerhalb der Story. Wird dies die Zukunft in den Theatern sein, wird das uns bekannte klassische Bühnenbild ganz verschwinden? Wie schwierig ist es in einem virtuellen Bühnenbild die Darsteller optimal zu positionieren und mit dem Ganzen in Einklang zu bringen?

 

Ich denke das klassische Bühnenbild wird nie verschwinden. Wie in jeder Kunstform wird es Modeerscheinungen geben, die einige Zeit aktuell sein werden und es wird Neuentwicklungen geben oder auch wieder zu älteren Formen zurückgegriffen werden. Daher sollte man sich niemals verschließen vor Innovationen und neuen Ideen, da am Ende die Präsentation auch nur eine von vielen Ausdrucksformen ist, um den Inhalt und die Geschichte zu präsentieren. Jede Geschichte benötigt auch eine andere Sprache oder Erzählweise, um transportiert zu werden. So werden weiterhin bestimmte Geschichten geschrieben werden, die komplett klassische Bühnenbilder besitzen und andere Werke wiederum auf neue Technologien zurückgreifen werden.  

Ich hatte bereits Fantasien ein Stück zu inszenieren in denen für das Publikum VR-Brillen bereitliegen und sie für bestimmte Sequenzen oder vielleicht sogar für das ganze Werk in VR-Welten abtauchen. Oder das Bühnenbild durch AR-Elemente bereichert werden, die sonst nicht möglich wären darzustellen.

Es gibt bereits jetzt digitale Darsteller als Hologramme, die mit echten Darstellern auf der Bühne interagieren. Und da KIs inzwischen auch Bewegtbild mit vollständig künstlichen Menschen und künstlichen Stimmen erzeugen kann, wird es vielleicht auch mal ein Theaterstück geben, welches nicht mehr von Menschen gespielt wird.

Ich bin daher sehr gespannt, was noch alles auf uns zukommt.


Bei El-Oh-Vee-Ee verbinden wir klassische Elemente und erweitern diese bzw. interpretieren diese neu. Statt gemalter Hintergründe und Kulissen an Vorhängen arbeiten wir mit einer großen LED-Leinwand, welche gemalte Hintergründe zeigt. Diese sind digital per Hand gemalt in Photoshop und ersetzen den klassischen Hintergrund. Bleiben aber der Grundidee treu, da es weiterhin ein handgemalter 2D-Stil ist. Dennoch sind die Hintergründe animiert und beleben die Szene, da z. B. Licher glühen, Sternschnuppen zu sehen sind oder das Wasser unter der Brücke wirklich fließt. 


Teil der Geschichte ist auch das Thema „Distanz“ und auch die Trennung von „Realität“ und „Vorstellung“. Dies stellen wir da, indem es z. B. ein gesungenes Duett gibt, welches ein Mix aus Video und Theater ist. Eine Person ist auf der Bühne und singt mit einer anderen Person, welche auf der Leinwand zu sehen ist. Die räumliche Trennung durch verschiedene Medien zeigt hiermit auf interessante Art, dass die beiden Personen in verschiedenen Welten auch leben.

Bereits in den Proben werden wir mit Beamern arbeiten und Teile der Projektionen abspielen, damit alle Darsteller:innen ein Gefühl für die Positionen und den Aufbau der Szenen bekommen.

Wichtig um alles in Einklang zu bekommen ist neben einer intensiven Probenarbeit, natürlich auch die entsprechende Vorbereitung und Vorarbeit um alles genau zu verschriftlichen und gegebenenfalls als Zeichnung in einem Storyboard festzuhalten.

 

Ihr werdet das Stück am 22.07. und 23.07. 2023 in der Stadthalle Hofheim am Taunus präsentieren, wird es weitere Termine geben und ist es geplant damit auch auf Tour zu gehen, damit noch mehr Menschen die Botschaft sehen und hören können?

 

Eine Tour wäre mein absoluter Traum! In dem Werk steckt viel Herzblut und Liebe zum Detail und wir möchten gerne „El-Oh-Vee-Ee“ so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen, um auch mal zu zeigen das Musical anders sein kann. „Liebe“ ist ein Thema, welches uns unser ganzes Leben begleitet. Daher war es mir sehr wichtig mich damit so intensiv auseinander zu setzen und möchte daher auch jeden dazu einladen sich das Stück anzuschauen, um selbst neue Eindrücke und Perspektiven zu entwickeln.

Zurzeit bin ich nicht nur Autor, Komponist und Regisseur, sondern auch gleichzeitig Produzent und Veranstalter, wodurch natürlich auch das finanzielle Risiko bei mir liegt. Es ist immer schwierig ein völlig neues Werk zu etablieren. Wir wollen daher die Premiere auf Film festhalten und mit dem Material uns Veranstaltern, Geldgebern und Spielstätten zuwenden, um zukünftige Aufführungen zu realisieren.

Daher bin ich sehr gespannt, wohin uns die Reise mit „El-Oh-Vee-Ee“ in Zukunft noch führt. Ich freue mich, wenn ihr ein Teil davon werdet!


Lieber Tristan, vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und die ausführlichen und sehr interessanten Einblicke in Dein neues Musical Projekt. Wir sind auch sehr gespannt, wie es weitergehen wird und sind uns sicher, das wir zu einem späteren Zeitpunkt hier wieder miteinander sprechen. Wir wünschen Dir und Deinem Team eine tolle Zeit und eine wundervolle Premiere und TOI, TOI, TOI

Interview mit Tristan Blaskowitz

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