Am 02. Februar 2024 feierte eines der weltweit erfolgreichsten Musicals des 20. Jahrhunderts, ANATEVKA in der Komischen Oper Berlin seine Wiederaufnahme. Das fast ausverkaufte Haus lies sofort erahnen, das diese
Wiederaufnahme vor allem auch ein Herzenswunsch aller Zuschauer sein dürfte, den ANATEVKA ist nicht nur einfach ein Stück jüdische Geschichte. Der Zuschauer kann sich mit den im Stück angesprochenen Themen identifizieren. Themen wie Familie, gesellschaftliche Veränderungen, Traditionen und gerade in der heutigen Zeit sind diese Themen aktuell wie lange nicht.
7 Jahre sind auch schon eine Tradition
Seine Premiere feierte die Neuinszenierung von Barrie Kosky in der Spielzeit 2017/18 und ist seither aus dem Repertoire der Komischen Oper nicht mehr wegzudenken.
Die Story basiert auf dem auf den Geschichten von Scholem Alejchem, mit ausdrücklicher Genehmigung von Arnold Perl, Buch: Joseph Stein, Musik: Jerry Bock, Gesangstexte: Sheldon Harnick, Deutsch von Rolf Merz und Gerhard Hagen, produziert für die Bühne in New York von Harold Price, inszeniert und choreografiert von Jerome Robbins. |
Eine Reise voller Emotionen
Wir von Leidenschaft Musical haben uns auf eine spannende und emotionale Reise in das Jahr 1905 begeben, in das kleine Schtetl namens ANATEVKA.
Schon nach wenigen Minuten waren wir in die Lebensart und die Traditionen der Dorfgemeinschaft von ANATEVKA eingetaucht.
Tradition, Tradition
»Traditionen« sind Lebensgrundlage in ANATEVKA, dem kleinen Dorf, in dem ein jeder als Fiedler auf dem Dach tanzt und dabei versucht, »eine einschmeichelnde Melodie zu spielen, ohne sich dabei das Genick zu brechen. Man versucht sich anzupassen, man möchte und sollte nicht auffallen. Die Traditionen in ANATEVKA sind geprägt von der Religion und den allgemeinen Verhaltensregeln der Menschen, die diese über viele, viele Jahre gelebt haben, mit denen sie erzogen wurden. Jeder hat seine Aufgabe und seine Stellung in der Familie und in der Dorfgemeinschaft.
Wenn Traditionen dann mit dem Fortschritt und der neuen Denkweise der jungen Leute kollidiert, entstehen Situationen, die zum Lachen, aber auch zum Weinen sind.
Ein Ehemann, Vater und Gewissens- und Gefühlskonflikte
Der Milchmann Tevje (Max Hopp) hat es nicht leicht in seinem Leben, aber er ist doch glücklich. 5 Töchter, eine gute Frau und ein Dach über dem Kopf, was braucht Mann noch, um glücklich zu sein. Vielleicht ein klein wenig Reichtum?
Mit dem wohl bekanntesten Lied aus ANATEVKA "Wenn ich einmal reich wär", singt sich Max Hopp als Tevje der Milchmann allabendlich in die Herzen der Zuschauer. Da aber dieser Wunsch ein Wunsch bleiben wird, begnügt sich Tevje mit einem Blick in das „Gute Buch“ und vertieft sich in Zwiegespräche mit Gott. Tevjes Gespräche mit Gott ziehen sich durch die gesamte Handlung, sie sind witzig, spitzfindig, aber sie hinterfragen auch den Sinn und die Aktualität.
Der Zuschauer erfährt in diesen Momenten viel über die viel besungenen Traditionen von ANATEVKA und es ist offensichtlich, das Tevje im Zwiespalt ist und Lösungen wünscht, die Tradition und Alltag miteinander verbinden und harmonieren lässt.
Geschichte erleben
Barrie Kosky`s Inszenierung ist wie eine kleine Geschichtsstunde
Die ANATEVKA Inszenierung von Barrie Kosky in der Komischen Oper Berlin ist ausdrucksstark und bewegend. Das Bühnenbild ist reduziert. Übereinandergestapelte Hausratsgegenstände , wie Schränke, Stühle, Tische (welche alle schon bessere Zeit gesehen haben) sind auf einer Drehbühne platziert. Damit lassen sich die einzelnen Handlungsräume gut darstellen und miteinander verbinden. Was es allerdings mit der Aussage des Bühnenbildes auf sich hat, wird der Zuschauer erst am Ende der Geschichte erfahren.
Die Kostüme sind authentisch und passen perfekt ins Ambiente der Zeit.
Bühnenbild und Kostüme schaffen einen perfekten Rahmen für die Darsteller. Tolle, ausdrucksstarke und überzeugende Stimmen sind hier kombiniert mit einer nicht zu übersehenden Spielfreude. Das gesamte Darstellerteam vermittelte dies im Laufe des Stückes in jeder einzelnen Szene.
Der Zuschauer wurde somit in die Geschichte regelrecht hineingezogen. Die Emotionen schwappten einfach in den Zuschauerraum über. Wir haben mit den Figuren gelacht, gelitten und geweint.
Die im Stück transportierten Emotionen, die aus Fürsorge, Liebe, aber auch aus Angst und Traditionsbewußtsein hervorgerufen wurden, gelangten ohne Umschweife zum Publikum.
Passgenaue Besetzung
Wie bereits erwähnt, wurden für ANATEVKA wunderbare Darsteller ausgewählt.
Allen voran Max Hopp als Tevje und Dagmar Manzel als seine Frau Golde. Die beiden sind aus der Komischen Oper eh nicht wegzudenken und haben auch hier wieder bewiesen, mit wie viel Talent und Hingabe sie ihre Rollen zum Leben erwecken können.
Die heiratsfähigen Töchter Zeitel (Susan Zarrabi), Hodel (Alma Sadè), Chava (Katharina Thomas) perfekt und emotional überzeugend. Die drei sind die Brücke zwischen der alten und der neuen Zeit im Stück. Sie kennen und leben die Traditionen, aber sie bringen auch das Neue und den Fortschritt nach ANATEVKA. Allen drei Darstellerinnen sei gedankt dafür, mit wie viel Herz sie ihre Rollen gefüllt haben.
Mit Nicky Wuchinger ist der Charakter des Perchik gut getroffen und stimmlich wie darstellerisch wirklich gelungen.
Ein weiteres Highlight für uns war Sigalit Feig in der Rolle der Oma Zeitl und Fruma Sara in Tevjes Alptraumszene.
Eine kleine Rolle, aber eine, die es in sich hat, wird diese doch den weiteren Verlauf der Geschehnisse im Stück stark beeinflussen. Sigalit Feig Auftritt hat uns wirklich begeistert. Ihre Fruma Sara, als tote rachlüstige erste Ehefrau des Dorffleischers stimmgewaltig und einfach nur genial.
Ein wundervolles Musicalerlebnis
Unter der musikalischen Leitung von Koen Schoots wurde das Stück von einem vollen Orchester begleitet, das alles beinhaltete, was dazu gehört. Dank der herausragenden Musiker ein absoluter Genuss für die Ohren.
Ballett, Chor und Orchester und die Komparserie der Komischen Oper Berlin haben den Besuch von ANATEVKA zu einem wundervollen und ausdruckstarken Musicalabend werden lassen.
Ein Wunsch für Musicalliebhaber
Es bleibt zu hoffen, das ANATEVKA noch viele Wiederaufnahmen in der Komischen Oper feiern wird, damit noch sehr viele Musicalbegeisterte die Möglichkeit erhalten, sich dieses wunderschöne Stück anzusehen. Leidenschaft Musical würde es sich in jedem Fall noch mal ansehen.
Wer jetzt Lust hat auf ein wirklich tolles Musical, hier geht’s zu den Tickets, aber schnell sein, es gibt schon viele Fans von ANATEVKA und in dieser Spielzeit ist es nur noch bis 25.02.2024 zu sehen. Für viele ist ein Besuch in ANATEVKA schon zur Tradition geworden.
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