SWEENEY TODD – Premiere in Berlin
SWEENEY TODD das Meisterwerk von Stephen Sondheim, feierte seine Premiere in der Komischen Oper Berlin am 17. November 2024 und war ein besonderes Erlebnis.
Die teuflisch gruslige Musicalkomödie, mit seiner düsteren Handlung und der beeindruckenden Musik zieht seine Zuschauer immer wieder in seinen Bann.
Pünktlich zur beginnenden Vorweihnachtszeit, werden in der Komischen Oper Berlin nun Pasteten gebacken und mit glattem Schnitt rasiert
SWEENEY TODD – The Demon Barber of Fleet Street schwingt mit sicherer Hand sein Messer.
Glatt rasiert wird hier liquidiert
Wie und ob wir unbeschädigt das Theater wieder verlassen haben? Lest selber!
SWEENEY TODD – ein tiefschwarzes Musical
SWEENEY TODD – The Demon Barber of Fleet Street, nach dem Buch von Hugh Wheeler und der grandios düsteren Musik von Stephen Sondheim, fasziniert sein Publikum immer wieder aufs Neue .
Bis heute ist nicht uneingeschränkt geklärt, ob sich die Geschichte an eventuell realen Vorbildern orientiert. Denkbar wäre es schon, da doch Barbiere bis ins 18. Jahrhundert hinein auch für chirurgisch medizinische Eingriffe verantwortlich waren. Beim Betrachten des Stückes ist man als Zuschauer hin- und hergerissen. Verurteilt man SWEENEY TODD und seine Helfershelferin Mrs. Lovett und ihre Machenschaften, oder kann man sogar ein gewisses Maß an Verständnis für die Handlungen der beiden aufbringen.
Stephen Sondheim bezeichnete sein durchkomponiertes Horror-Musical als tiefschwarze Operette. Das Stück gewann 1979 acht Tony Awards.
Ein Mann, sein Plan, seine Rache!
Der Barbier Benjamin Barker (Christopher Purves) kehrt nach 15-jähriger Verbannung unter dem Namen SWEENEY TODD in das viktorianische London zurück. Einst wurde er von der Londoner Obrigkeit in Gestalt des Richters Turpin (Jens Larsen) unschuldig angeklagt und lebenslänglich verbannt. Ein fieses Intrigenspiel des Richters, um Benjamin Barkers wunderschöne junge Frau Lucy für sich zu gewinnen.
Benjamin Barker ist die Flucht gelungen, er nennt sich nun SWEENEY TODD und er kehrt in sein Zuhause, die Fleet Street, zurück. Dort angekommen, erfährt er von der Pastetenbäckerin Mrs. Lovett (Dagmar Manzel), dass seine geliebte wunderschöne Frau den Freitod gewählt habe und seine Tochter Johanna (Alma Sadé) nun in der Obhut des so “angesehenen” Richters Turpin als Mündel lebt.
Als SWEENEY TODD erfährt, warum seine Frau den Freitod wählte und das Richter Turpin den Plan verfolgt, Johanna zu heiraten, sinnt er auf Rache an all denen, die er für das Geschehene verantwortlich macht.
Durch einen geschickten Schachzug macht er sein Barbiergeschäft bekannt und die Kundschaft lässt nicht lange auf sich warten. Doch SWEENEY TODDs wahre Identität alias Benjamin Barker bleibt nicht allen verborgen. Er muss handeln, um seine Tochter aus den Fängen des Richters zu befreien und den Tod seiner Frau zu sühnen. Dies zu erreichen heiligt für ihn jedes Mittel.
Mit Hilfe von Mrs. Lovett, die schon seit ewigen Zeiten unsterblich in den Barbier verliebt ist, lassen sich alle Unwägbarkeiten, die SWEENEY TODDs Rache mit sich zieht, unkompliziert bereinigen.
Das Barbiergeschäft und die Pastetenbäckerei erlangen bei den Londoner Bürgern großes Ansehen und die Geschäfte laufen grandios. Doch SWEENEY TODD verfällt in einen regelrechten Blutrausch und seine Rachegelüste sind ungezähmt, da sein Ziel, Richter Turpin zu strafen und seine Tochter aus dessen Fängen zu befreien, lange nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Die Lage spitzt sich zu und endet in einer ungeahnten und für den Zuschauer überraschenden Dramatik.
Perfekt gewählte Cast und ein gewohnt starkes Ensemble
Die geschickt eingesetzte Komik in den einzelnen Szenen unterstreicht nochmals den so perfiden Plan von SWEENEY TODD. Jede einzelne Figur zeichnet sich durch ihre eigenen Ziele und seine eigene Komik aus. Tragische Komik!
Mrs. Lovett
Mrs. Lovetts Lebensansichten und ihr pragmatisches Handeln in einigen Situationen zaubern einem ein Grinsen ins Gesicht. Dagmar Manzel als Mrs. Lovett ist grandios besetzt. Sie überzeugt mit ihrer gespielten, fürsorglichen Art in SWEENEY TODD, welche doch nur das eine Ziel verfolgt, den ewig geliebten Mann an sich zu binden und in der Gesellschaft finanziell aufzusteigen. Ihre Gier nach Geld ist unermesslich. Mrs. Lovett will sich endlich aus den Fesseln des Elends und der Armut befreien. Warum nicht beide Ziele miteinander verbinden, den geliebten Mann u bekommen und reich und angesehen zu werden. Sie sieht die Chance und ergreift sie unerbittlich.
Sweeney Todd
Christopher Purves ein SWEENEY TODD der stimmlich und darstellerisch vollendens überzeugt. Seine starke Bühnenpräsenz unterstreicht hervorragend den perfiden Charakter, des Demon Barber of Fleet Street. Ein ganzer Kerl, dem man sein Vorhaben ohne “Wenn und Aber” abnimmt. Christopher Purves eine perfekt gelungene Besetzung für diese Rolle.
Richter Turpin
Jens Larsen als Richter Turpin, der wohl unsympathischste Charakter im Stück.
Dies ist aber einzig und allein der Rolle geschuldet und beweist die geniale Spielweise von Jens Larsen. Seinem Richter möchte man als Frau nicht allein und im Dunkeln begegnen. Die schleimende, säuselnde und gefährlich verlogene Art des so ehrbaren Richters überzeugte schauspielerisch wie stimmlich und brachte die Zerrissenheit der Figur Turpin hervorragend zum Ausdruck.
Johanna
Alma Sadé als SWEENEY TODDs Tochter Johanna, jung, unschuldig und somit dem “Bösen” vollständig ausgeliefert. Alma Sadé stimmlich und darstellerisch brillant und kann in der Rolle komplett überzeugen. Mit ihrer klaren und ausdrucksstarken Stimme hat sie Johannas Charakter ideal unterstrichen.
Tobias Ragg
Tobi (Tom Schimon) ein Junge der unfreiwillig in die Rachepläne von Sweeney Todd und den Absichten von Mrs. Lovett hineingerät. Tobi ist vom Grunde her noch fast ein Kind, das sich nach Geborgenheit und Liebe sehnt. In seinem täglichen Überlebenskampf in der schwierigen Zeit in der er lebt, schlägt er sich mit kleinen Gaunereien und Handlangerarbeiten durch den Tag. Tom Schimon hat die Fähigkeit, kindliche Naivität mit der tragischen Realität zu verbinden, und zeigt ein tiefes Verständnis für die komplexen Emotionen, die in diesem Charakter stecken.
Stimmlich und darstellerisch exzellent umgesetzt.
Bettlerin
Sigalit Feig hat eine überaus beeindruckende Leistung in der Rolle der Bettlerin gezeigt! Ihre Fähigkeit, das Publikum auf Ungereimtheiten und Gefahren aufmerksam zu machen und gleichzeitig eine Schlüsselfigur der Handlung zu verkörpern, ist wirklich bemerkenswert. Faszinierend, wie sie durch ihre darstellerische Präsenz und kraftvolle Stimme die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesselt und doch bis zum Schluss in Unwissenheit lässt.
Anthony Hope
Der junge Matrose Anthony (Hubert Zapiór), der sich unsterblich in Johanna verliebt, ist wohl der wirklich einzig loyale Charakter im Stück. Zapiórs Spiel gibt im Verlauf der Handlung Anlass zur Hoffnung, das doch noch alles gut wird. Darstellerisch und stimmlich überzeugend und brillant in den Duetten mit Partnerin Alma Sadé.
Adolfo Pirelli
Ein tragisch komischer Charakter, der durch Ivan Tursic hervorragend präsentiert wurde und den ein oder anderen Lacher bei seiner Performance auf sich gezogen hat.
Aber nicht nur den Hauptdarstellern merkt man die Spielfreude in diesem echt makabren Stück an. In gewohnt professioneller Art präsentierte sich auch die übrige Cast und das Ensemble der Komischen Oper.
Das Orchester tut sein übriges um den Abend zu einem Highlight zu machen. Sondheims Musik von einem vollen Orchester zu hören verursacht zusätzliche Gänsehauteffekte.
Bühnenbild und Kostüme
Das Bühnenbild und die Kostüme sind gelungen und unterstreichen den Handlungszeitraum hervorragend. Durch verschiebbare fotografische Bühnenelemente wird die Größe der Großstadt London gut eingefangen, integriert aber auch hervorragend die einzelnen Spielszenen perfekt. Die Kostüme eher clean, düster, der Zeit angemessen.
SWEENEY TODD ein grausames Bühnenspektakel und Fiktion oder ein Spiegel der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts?
Die Inszenierung von SWEENEY TODD trägt eindeutig die Handschrift von Barrie Koskie.
Durchdacht und ausgefeilt inszeniert zieht das Stück den Zuschauer mitten ins Geschehen hinein. Der schmale Grat zwischen Horror und Komödie wurde exzellent getroffen und lässt das Publikum in keiner Sekunde des Stückes zweifeln, dass der Plan von SWEENEY TODD durchaus nachvollziehbar ist, in den Zeiten eines aufstrebenden Londons, in dem ein Drittel der Bevölkerung in bitterer Armut und Obdachlosigkeit dahinvegetierte. Der Rest scheffelte Geld und Ansehen und die Kluft zwischen Arm und Reich war unübersehbar und überall spürbar. London war zu diesen Zeiten wohl die wohlhabendste Stadt der Welt, aber auch eine der gefährlichsten. Die unübersehbare Armut im Gegensatz zum immer weiter aufsteigenden Empire rief Kriminalität zum Überleben auf den Plan. Die hässliche Fratze der Armut zeigte ihr Gesicht und strafte die Dekadenz der Reichen. Gerechtigkeit konnte nach dem Ermessen der armen Bevölkerung nicht anders herbeigeführt werden.
SWEENEY TODD – zwischen den Gefühlen hin und her gerissen
Wer nun meint, dieses Stück sei nur etwas für hart gesottene Horrorfans, kann unbesorgt sein. Bereits Stephen Sondheim bemerkte sehr schnell: SWEENEY TODD ist gruslig und gleichsam charmant. In sicherer Atmosphäre gruseln wir uns alle doch ganz gerne mal. Die Geschichte ist so absurd, dass man völlig gefangen ist und in der Grundtendenz dem Mann Benjamin Barker Erfolg wünscht, bei seinem Vorhaben. Andererseits schwingt der gesunde Menschenverstand mit, der einem sagt: So geht das nicht. Selbstjustiz ist keine Lösung, aber zu den Zeiten, in der die Geschichte spielt, Alltagsgeschehen. In keinem anderen Stück ist das Zuschauen und die dabei entstehenden Gefühle und die Sondierung des eigenen normalen Menschenverstandes so miteinander verwoben wie bei SWEENEY TODD.
In der Schlussszene wird einem dann aber klar, das blinde Rachsucht keine Lösung sein kann.
Wir können jedem Musicalbegeisterten nur empfehlen, sich diese Inszenierung anzusehen und Spaß an der so absurden Handlung zu haben. Wir versprechen einen humorvollen, gruseligen Musicalabend, der sicher lange in Erinnerung bleiben wird.
Die Inszenierung wird komplett in englischer Sprache gesungen und gesprochen, was aber kein Hindernis darstellen sollte, da die Texte eins zu eins übersetzt werden (Laufschrift oberhalb der Bühne).
Der Komische Oper und dem gesamten Team wünschen wir eine erfolgreiche Spielzeit
Comments